
Das Verbrechen bei Tempi
von Sophia Georgallidi
Am 28. Februar 2023 sind nahe bei Tempi/Mittelgriechenland, kurz vor einem langen Tunnel, ein Personenzug mit einem Güterzug zusammengestoßen, weil beide auf dieselbe Schiene geführt wurden. Ursache dafür war das menschliche Fehlverhalten.
Denn, obwohl die notwendige technische Ausrüstung vorhanden war, wurde sie zu keiner Zeit eingesetzt. Zudem kam es bei dem Zusammenstoß nicht nur zu Entgleisungen, sondern auch zu einer schweren Explosion, weil im Güterzug illegal flüchtiger Kohlenwasserstoff (Xylol und Toluol) transportiert wurde.
Insgesamt starben 57, vorwiegend junge, Menschen (die Todesursache der Hälfte von ihnen war schwere Verbrennungen); 85 wurden teils schwer verletzt. Viele werden wohl ein ganzes Leben lang schwere Traumata mit sich tragen. Außerdem werden immer noch circa 50 Personen vermisst.
Anstatt sofort Untersuchungen vor Ort einzuleiten, um Beweismaterial sicherzustellen, wurde seitens der zuständigen Behörden massiv und unaufhörlich versucht, die Ursachen dieser tödlichen Kollision zu vertuschen; der gesamte Unfallort wurde sofort zugeschüttet.
Bis heute, zwei Jahre danach, zögert immer noch die Justiz, das Verfahren zu eröffnen, immer noch sind Personen an ihre Schlüssel- und Entscheidungspositionen, als wäre nichts passiert, allen voran der griechische Ministerpräsident und das gesamte Kabinett; der damalige Verkehrsminister genießt sogar parlamentarische Immunität und wurde niemals zur Rechenschaft gezogen, obwohl er mehrmals das griechische Volk vor dem tragischen Unfall versicherte, wie sicher die Züge seien.
Und da die Angehörigen der Opfer a dato keine Antworten bekamen und alle Beweise, die sie der Justiz geliefert habe, archiviert oder verschwanden, gründeten sie einen Verein, um die Recherche zum Fall ohne staatliche Hilfe autonom durchzuführen.
„Ich kriege keinen Sauerstoff!“ – war u.a. zu hören, als nun zwei Jahre nach dem Verbrechen von Tempi Video- und Audionachrichten entschlüsselt wurden, die einige Opfer noch während der Kollision übers Handy an die Notrufzentrale gesendet hatten.
Auch diese Untersuchung ist der Initiative des „Vereins von Angehörigen der Opfer vom Tempi-Verbrechen“ zuzuschreiben.
Ø Was in der Nacht vom 28. Februar geschah, war also kein Zugunglück.
Ø Wir nennen es Verbrechen.
Ø Deshalb fordern wir Transparenz, Gerechtigkeit, Sicherheit.
Ø Wir verlangen Sauerstoff, um als freie Bürger aufzuatmen
und in Würde zu leben.
Beschuldigt werden zudem die Verantwortlichen
Ø für die Unterlassung jeglicher Sicherheitsmaßnahmen im Zugverkehr
Ø für die Deckung der verantwortlichen Politiker
Ø für die Beförderung nicht korrekt gemeldeter hochexplosiver Substanzen, ohne jegliche Sicherheitsmaßnahmen
Nicht zuletzt wuchs aufgrund des dubiosen Verschwindens des Sohnes der mit diesem Fall beauftragten Staatsanwältin, der vor wenigen Tagen Tod aufgefunden wurde, das Misstrauen unter der Bevölkerung – Meinungsumfragen zufolge glauben 72 % der Griechen, dass die jetzige Regierung einer Verhüllung schuldig ist.
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Am Freitag, 28. Februar 2025, wird daher in ganz Griechenland gestreikt; Schulen, Universitäten und die meisten Geschäfte sind aus Solidarität geschlossen, Taxis werden gratis zur Verfügung gestellt, um der Opfer in angekündigten Großdemonstration gedacht.
Veranstaltungen finden ebenfalls weltweit in allen Großstädten, wo das Griechentum wohnhaft ist, statt.
Es werden sich Millionen von Menschen versammeln, weil sie um die 57 Toten trauern und sich mit den 85 Verletzten, 50 Vermissten und allen Angehörigen solidarisch erklären.
Sie sind nicht allein.
Sie haben unsere volle Unterstützung in ihrem Kampf für Gerechtigkeit und für die Wahrheit, die ebenfalls zum Opfer fiel.

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